Neues von Kurti Keiler

Auf Wohnungssuche

Das Eichhörnchen schaut sich ratlos die halbfertige Hohlkugel aus Blättern, Fichtennadeln und Zweigen an. Das soll sein Haus werden. Als Standplatz hat es sich extra eine stabile Astgabel in seinem Lieblingsbaum ausgesucht. Aber im Moment will es einfach nicht klappen ... Immer wieder lösen sich die kleinen Äste und die Blätter verrutschen. Warum müssen ausgerechnet Eichhörnchen so komplizierte Behausungen bauen, scheint es sich zu fragen, als es mit schief gelegtem Köpfchen den unfertigen Kobel beäugt.

Kurti Keiler kommt genau in diesem Moment dazu und erkennt auch, gleich warum das Eichhörnchen so missmutig dreinblickt.

 

Er grunzt aufmunternd hinauf, doch das rote Nagetier ist inzwischen überzeugt davon, dass alle anderen Tiere es besser haben als die Eichhörnchen. Alle anderen haben viel einfacherer Behausungen! Kurti schmunzelt  und lädt den kleinen Baumakrobaten ein, mit ihm gemeinsam zu schauen, wie die anderen Tiere wohnen. Beide machen sie sich auf den Weg, um die Höhlen, Burgen und Nester der anderen Tiere im Wald zu begutachten.

Da entdeckt sie auch schon den ersten Waldbewohner – Reineke Fuchs. Das Eichhörnchen grüßt ihn aus respektvoller Entfernung von der Baumkrone herunter. Man weiß ja nie, ob er gerade Hunger hat und so ein Eichhörnchen vielleicht für einen leckeren Bissen hält. Auf die Frage, wie denn sein Haus aussieht, zeigt der Fuchs den beiden einen Höhleneingang. Dunkel ist es und bedrohlich wirkt es auf das Eichhörnchen. Schnell lehnt es die freundliche Einladung des Fuchses ab, den Bau doch einmal von innen zu besichtigen. Auf diesen listigen Plan fällt es nicht herein und huscht flink weiter von Baum zu Baum, sodass Kurti sich sputen muss, um Schritt zu halten.

Am kleinen See halten sie an, um ein wenig zu trinken.

Munter quakend kommen die Stockenten angeschwommen und grüßen freundlich. Das Eichhörnchen fragt sie gleich auch einmal nach ihrem Haus. Als die Enten ihm von ihrem Nest aus Gras und Schilf erzählen und dem Schlafen auf dem Wasser, verzieht es allerdings das Gesicht. Nein, das klingt ja schrecklich ungemütlich! Bei Regen wird man ja ganz nass. Da lachen die Enten, denn durch ihre Fettschicht auf den Federn macht Wasser ihnen nichts aus, ob es nun von unten oder von oben kommt, und gegen die Kälte plustern sie ihr Gefieder einfach auf, sodass es sie schön warm hält. Aber das ist nichts für unser Eichhörnchen und so zieht es mit Kurti zusammen weiter.

Am Rande der Waldlichtung begegnet sie einem Reh, auch dieses wird vom Eichhörnchen nach seinem Haus gefragt. Da erzählt das Reh, dass es unter freien Himmel schläft und sich nur einen geschützten Platz freischarrt. Gegen Regen, Wind und Kälte würde sein dichtes Fell gut schützen. Kurti blickt das Eichhörnchen an, das erneut sein Gesicht verzieht. Nein, nein, auch das klingt so gar nicht nach seinem Geschmack! Das ist ja so was von ungemütlich! Es friert schon beim bloßen Gedanken daran, bei Wind und Wetter einfach so auf dem Boden zu liegen. Schnell verabschieden sie sich und weiter geht es durch den Wald.

Da wispert es plötzlich zaghaft aus einem hohlen Baum heraus. Neugierig äugen Kurti und das Eichhörnchen durch den Spalt in den hohlen Stamm hinein. Fledermäuse hängen kopfüber an der Innenseite  des Baumes. Mit ihren Füßen haben sie sich an der Rinde festgekrallt. Das Eichhörnchen erkundigt sich auch bei ihnen, wie sie denn wohnen. Die Fledermäuse erklären, dass sie hier in diesem Baum schlafen und dabei mit dem Kopf nach unten hängen. Dann machen sie den beiden schnell klar, dass jetzt Schlafenszeit ist und sie nun nicht mehr gestört werden möchten. Kurti und das Eichhörnchen verabschiedet sich von den Fledermäusen und sind beide recht froh, dass sie selbst nicht kopfüber schlafen müssen.

Jetzt haben sie schon einige Tiere getroffen und sich angeschaut, wie diese wohnen und schlafen, aber nie hat es dem Eichhörnchen gefallen.

Lustlos setzt es sich auf einem Baumstumpf, als langsam eine Schnecke vorbeikriecht. Das Eichhörnchen blickt neidisch auf das Schneckenhaus, ist es doch einfach da und muss nicht erst mühevoll gebaut werden. Doch als die Schnecke erzählt, dass sie ihr Haus immer auf dem Rücken tragen muss, findet das Eichhörnchen daran doch keinen Gefallen mehr. Es würde beim Klettern und Springen in den Bäumen und Ästen ja nur stören.

Jetzt hat es keine Lust mehr weiterzusuchen. Es ist den ganzen Tag durch den Wald gehuscht und ist nun müde – doch es wünscht sich immer noch so sehr ein eigenes Haus.

Kurti führt das müde Eichhörnchen noch ein kleines Stückchen weiter und deutet nach oben in die Baumkrone.

In einer Astgabel ist ein rundes, rundherum geschlossenes Nest. Hier hat ein anderes Eichhörnchen emsig gebaut. Vorsichtig nähert sich unser Eichhörnchen diesem Kogel und begutachtet alles ganz, ganz genau.

Plötzlich geht ihm ein Licht auf. Nun weiß es, wie es beim Bau vorgehen muss. Voller Freude huscht er wieder wie der Blitz durch den Wald – vorbei an der Schnecke, den Fledermäusen, dem Reh, den Enten, dem Fuchs, bis hin zu seinem angefangenen Nest. 

Voller Motivation und Energie sammelt es Material und baut und werkelt, verbindet und verwebt, bis sein Kobel fertig ist. Dann sucht es sich noch Moos und weiches, trockenes Gras, womit es den Innenraum auspolstert.

Schließlich schlüpft es durch das kleine Loch ins Innere. Gemütlich ist es! Und wasserdicht! Und warm und sicher!

Müde rollt es sich zusammen und schläft glücklich und zufrieden ein.

Kurti schaut spät am Abend noch einmal am Kobel vorbei und nickt lächelnd. So soll es sein, jedes Tier hat einen eigenen Platz zum Schlafen, um Junge großziehen, als Versteck und Unterschlupf, jeder so, wie es für seine Art am besten ist. Das hat nun auch das Eichhörnchen verstanden.

 

Zufrieden zieht Kurti seiner  Wege, während die Nacht anbricht im Siebenwiepfelwald.

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Kommentare: 1
  • #1

    Achim Hinz (Montag, 08 Mai 2017 12:50)

    Wie immer sehr gut geschrieben und kindgerecht verarbeitet. Mach so weiter, Niko���